Haushaltsrede 2009 des SPD-Fraktionsvorsitzenden Cornelius Böttcher

Cornelius BöttcherBeim Blick auf Werdohl beobachten wir einen schleichenden Qualitäts- und Bedeutungsverlust auf den unterschiedlichsten Ebenen, im Großen wie im Kleinen, der uns Sorgen macht:

Schließung von Sparkassenfilialen in Pungelscheid, Eveking und am Bahnhof, die Schließung des IG-Metall-Büros am Bahnhof, die drohende Schließung der Geburtshilfe und Gynäkologie in der Stadtklinik, Schließung des Grünabfallplatzes am Riesei, Abstriche bei der Straßenreinigung, eingeschränkter Winterdienst, zunehmender Vandalismus, sinkende Einwohnerzahl, dramatische Finanzlage der Stadt bei besorgniserregender Einkommensstruktur unserer Bürgerschaft und wachsender Armut, unter der vor allem auch Kinder zu leiden haben.

Die Auflistung könnte erweitert werden. Sie zeigt aber auch so schon die ganze Breite des kommunalpolitischen Handlungsbedarfes auf.

Gleichwohl gilt es, sich nicht den Blick für die positiven Entwicklungen zu verstellen, die vielfältigen Initiativen und dem besonderen Einsatz von Werdohlern, Sponsoren, Investoren und der Politik zu verdanken sind:

 Das Mini-Spielfeld Königsburg ist entstanden. Es trägt zur Stärkung des Schulstandortes bei und hat den Freizeitwert des Ortsteils für Kinder und Jugendliche erhöht.

Das Thema Tourismus ist stärker in das Blickfeld geraten. Durch den Beitritt zum Zweckverband Ebbegebirge bieten sich im Zusammenhang mit dem regionalen Wanderweg „Sauerländer Höhenflug“ Perspektiven, die es aktiv weiter zu entwickeln gilt.

Die Kunstrasendiskussion, 2007 von uns angestoßen, führt in diesem Frühjahr noch durch die Gunst des Schicksals und großem Engagement des TuS Versetal und FC Pungelscheid zur Inbetriebnahme eines neuen Kunstrasens und einer Sportanlage, die sich dann in einem neuen ansprechenden Outfit präsentieren wird.

Der Bahnhofserwerb konnte durch Interventionen der Politik mit Hilfe eines großzügigen Sponsors vollzogen werden. Nun muss es weitergehen.

Die Grundschullandschaft ist neu strukturiert. Eine Bildungskonferenz soll Perspektiven zu ihrer Weiterentwicklung aufzeigen.

 Wenn das Projekt Freiheitsstraße 1/Fritz Thomee-Platz abgeschlossen ist, wird die Innenstadt einen deutlichen Attraktivitätszuwachs haben.

Die erheblichen Investitionen hier, aber auch bei der Werdohler Wohnungsgesellschaft und natürlich der Umbau des WK sind deutliche Hinweise auf das feste Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit Werdohls.

Insbesondere Familien mit Kindern müssen im Focus unseres Interesses stehen. Deshalb haben wir den Antrag eingebracht, die städtischen Grundstücke im Baugebiet Düsternsiepen für Familien mit Kindern auch in Erbpacht zu möglichst attraktiven Konditionen anzubieten.

Zu den positiven Erscheinungen zähle ich auch, dass niemand in der Stadt die abstrusen Gedankenspiele der WBG aufgegriffen hat: Bahnhof abreißen, Hallenbad schließen, Kultur abschaffen.

 Von zentraler kommunalpolitischer Bedeutung auch in den nächsten Jahren sind die Finanzen unserer Stadt.

Unsere dramatische Haushaltslage ist hinlänglich bekannt. Die Wirtschaftskrise verstärkt sie. Die neuen Dimensionen erschrecken. Der Tag unserer Zahlungsunfähigkeit ist deutlich näher gerückt.

 Das Land NRW ist nach dem GFG dazu verpflicht, für auskömmliche und in etwa gleiche Lebensbedingungen in den Städten und Gemeinden zu sorgen. Dies soll ein eigens dafür vorgesehenes Ausgleichssystem leisten.

Das tut es aber nicht, denn in der Realität werden die Unterschiede zwischen armen und reichen Städten immer größer. Mit der Folge, dass sich die Lebensverhältnisse in den Gemeinden dramatisch auseinander entwickeln.

Die Landesregierung schaut dieser Entwicklung bisher tatenlos zu. Wir empfinden dies als eine schreiende Ungerechtigkeit. Unsere Beurteilung der Lage und unsere grundsätzlichen Vorstellungen zum kommunalpolitischen Umgang mit ihr, ist von der Werdohler SPD – Fraktion immer klar und deutlich in die Bürgerschaft hinein kommuniziert worden.

 Ich fasse sie in drei Punkten zusammen:

1.   Der Werdohler Haushalt kann in Werdohl nicht ausgeglichen werden. Wir benötigen zusätzliche Hilfen des Landes.

2.   Die Regelungen in der Gemeindeordnung für die Behandlung der Nothaushaltskommunen sind ungeeignet.

3.   Wir brauchen eine Neuregelung des Solidarpakts Ost, woran Nothaushaltsgemeinden nicht mehr als Zahler sondern        als Empfänger beteiligt werden müssen.

 Unsere Schlussfolgerung:

 Egal, wie viel wir sparen und kürzen und Steuern erhöhen, wir befinden uns in einer sich immer schneller drehenden Abwärtsspirale, die wir aus eigener Kraft nicht aufhalten, geschweige denn umkehren können.

Trotzdem: Sparen ja, aber nicht auf Kosten der Lebensqualität und damit Konkurrenzfähigkeit gegenüber anderen Städten.

 Es gibt Hinweise für die Annahme, dass hinsichtlich der Kommunalfinanzen in absehbarer Zeit im Lande etwas passieren wird.

1.) Es wird parteiübergreifend davon gesprochen, einen Entschuldungsfonds für Kommunen im Nothaushalt      einzurichten.

2.) Die Regelungen über den „Solidarbeitrag Ost“ – Finanzhilfen nach der Himmelsrichtung und nicht nach der Bedürftigkeit zu verteilen – werden immer öfter infrage gestellt.

3.) Es zeichnet sich ab, dass (u.a. wegen der Auswirkungen des NKF) immer mehr Gemeinden in die sogenannte Haushaltssicherung rutschen, angesichts der aktuellen Finanzkrise schneller als erwartet, was den Druck auf das Land deutlich erhöhen wird.

4.) Die bisherige strenge Linie gegenüber Nothaushaltskommunen, wonach diese weniger für ihre Einwohner tun dürfen als andere, bröckelt. Man lässt sie z.B. am Konjunkturprogramm teilhaben, obwohl die sogenannten Eigenanteile derzeitig nicht erbracht werden können.

 Betrachtet man unsere Position und die wachsende Zustimmung zu ihr im Lande, versteht man, warum wir in der Vergangenheit den sogenannten Konsolidierungskurs unseres BM nicht mittragen konnten. Leider hat er dies der Bürgerschaft gegenüber als gegen ihn persönlich gerichtete Attacken verkauft.

Das hat das Klima deutlich belastet.

 Erinnern wir uns kurz:

 Noch 2007 bezeichnete Herr Bora Sparmaßnahmen wie Schließung von Kinderspiel- und Bolzplätzen, die Anhebung der Ausleihgebühren in der Stadtbücherei, die Reduzierung des Kulturetats und die Verkleinerung der Stadtbücherei als geeignete Maßnahmen zur Konsolidierung des Haushalts.

„Wenn die Politik solche Überlegungen im Keim erstickt, weiß ich nicht, wie ich die Stadtfinanzen sanieren soll.“, wurde er sinngemäß zitiert.

Die Fraktionen und hier insbesondere die SPD mussten sich vorwerfen lassen, sie würden ihn in seinen Bemühungen um nachhaltige Verbesserungen ausbremsen und ihm Knüppel zwischen die Beine werfen.

Es ist erst ein Jahr her, dass der BM seinem eigenen Haushalt die Zustimmung verweigerte, weil wir, so gab er zu Protokoll, in 4 Punkten anderer Meinung waren als er (Höhe der Gewerbe- und Grundsteuern, Kulturetat, Sitzungsgelder).

 In diesem Jahr bringt er einen Haushalt ein, der exakt diese 4 Punkte enthält, die noch im letzten Jahr der Grund für seine medienwirksame Ablehnung waren. Außerdem macht er sich erstmals eine alte und immer wiederholte Grundposition der Politik zu eigen „Wir dürfen Werdohl nicht kaputt sparen“.

Der BM erkennt heute offenbar an, dass es richtig und notwendig war, ihm immer dann in den Arm zu fallen, wenn er kontraproduktiv die Lebensqualität der Stadt weiter verschlechtern wollte, ohne damit die Finanzprobleme auch nur ansatzweise zu mildern, geschweige denn zu lösen.

Die vom BM jahrelang suggerierte These, man müsse nur endlich richtig sparen, um zu geordneten Verhältnissen zu kommen, erweist sich endgültig als Illusion.

 Hätten Sie, Herr Bora, unsere Position von Anfang an geteilt, wären wir wahrscheinlich auch zu einer anderen Herangehensweise bei der Festsetzung der Kindergartenbeiträge gekommen. Sie hätten den ganzen Rat an Ihrer Seite gehabt. Stattdessen haben Sie sogar gegen das kostenneutrale und mit viel Aufwand und sehr gründlich erarbeitete Elternmodell gestimmt. Dass Sie es hinterher als Positivbeispiel einer „Bürgerkommune“ gefeiert haben, ändert daran nichts.

Welche Folgerungen Sie aus Ihren Fehleinschätzungen gezogen haben, ist Ihrer diesjährigen HH-Rede leider nicht zu entnehmen.

So vermissen wir einen Bericht darüber, was Sie auf Grund der Ratsresolution vom Juni vergangenen Jahres, die all diese Gedankengänge bereits enthielt, über die Anfrage beim StGb hinaus unternommen haben, um auf die dramatische Finanzsituation Werdohls aufmerksam zu machen.

 Wir haben in Ihrer Haushaltsrede auch keine konkreten Hinweise darauf gefunden, wie Sie zukünftig mit dieser sich weiter verschärfenden Situation umgehen wollen.

Es sei denn, Sie wollen Ihre abschließenden Worte als zukunftsweisendes Konzept verstanden wissen.

(Zitat aus eigener Mitschrift)

Diese Stadt hat Zukunft, doch wir sollten uns auf das Wesentliche konzentrieren.

Wir müssen weiterhin sparen und über Standards sprechen.

 Herr Bora, bei allem Respekt vor Ihrem Amt, mit derartig nichtssagenden und abgenutzten Redensarten können wir nichts anfangen.

 Was für Sie das Wesentliche ist, sagen Sie nicht.

Wo Sie sinnvoll sparen wollen, überlassen Sie der Phantasie Ihrer Zuhörer.

Ob Sie dabei an Ihre Dienstreisen oder Rechtsstreitigkeiten, die Größe Ihres  Dienstwagens, oder an Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger gedacht haben, bleibt Ihr Geheimnis.

Über welche Standards wollen Sie sprechen? Wir erfahren es nicht.

Einmal mehr erweist sich die Worthülse als Ihre stärkste Waffe.

Ihr Pseudoansatz zur Haushaltskonsolidierung klingt gut. Er ist aber nicht gut und bewirken tut er gar nichts.

 Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Dem BM, den Fachbereichsleitern und dem Kämmerer Herrn Schlüter danken wir für ihre fachkundige und geduldige Begleitung unserer sachbezogenen und harmonischen Fraktionsberatungen.